Die ehemalige Lauterbacher Synagoge - Daten und Berichte

Juli 1906:   Die jüdische Gemeinde kauft ein 400qm großes Grundstück
für 4000,- Mark von den Geschwistern Engelmann
1907:   Planung des Gebäudes durch den Lauterbacher Architekten Jacob Reuter
14. August 1908:   Einweihung des neu errichteten Gotteshauses
8. November 1938:   Verwüstung durch die Nationalsozialisten
9. / 10. November 1938:   Zerstörung durch Brandstiftung durch die Nationalsozialisten
1942:   Endgültiger Abriss der Ruine

Baustil:   Jugendstil mit orientalischen Details, heute auch als "Neuromantik" bezeichnet
Details:   Markante Kuppeloktogone (ähnlich der alten Dresdner Synagoge von Semper),
Fenster und Portale mit Gewänden ausgeführt, Rundbogenfriese
ehemaliger Standort:   Stadtkern Lauterbach, Straße "Hinter der Burg" (siehe Lageplan-Link unten!)

Der Lauterbacher Anzeiger berichtet am 15. August 1908 von der Einweihungsfeier:

Synagogen=Einweihung. Die Einweihungsfeierlichkeit der Synagoge der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde wurde am gestrigen Freitag nachmittag 1 Uhr unter dem Beginn eines Abschiedsgottesdienstes in der alten Synagoge vollzogen. Nach einem Festzug unter Vorantritt der Stumpfschen Kapelle von der alten nach der neuen Synagoge übergab Frl. Resel Strauß in der Vorhalle im Auftrage des Baumeisters (Herr Reuter Lauterbach) mit einem sinnigen, der Weihestunde angepaßten Prolog, den Schlüssel an den Vertreter der Großh. Regierung, Herrn Kreisrat v. Bechtold, dieser übergab ihn mit einer Ansprache, in welcher er dem besonderen Schutz der Regierung und der Opferwilligkeit der hiesigen Gemeinde Ausdruck gab, dem Gemeindevorstand, Herrn S. Strauß, welcher ihn unter Dankesworten für das Wohlwollen Großh. Regierung und für das zahlreiche Erscheinen der städt. und geistlichen Behörden, und den Dank des Baumeisters an den Provinzialrabbiner weitergab, der darauf unter dem üblichen Spruch das Gotteshaus öffnete und es seiner Bestimmung übergab. Nachdem die Weihegebete und die Chorgesänge verklungen waren, betrat Herr Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld - Gießen die Kanzel und hielt die Festpredigt verbunden mit einem Gebet für das deutsche Kaiserhaus und unserem Landesfürsten Großherzog Ernst Ludwig. Er sprach in recht markigen Worten über die Bedeutung des Tages und erläuterte seine Worte im einzelnen über den Begriff Gotteshaus. Nach dem üblichen Segen für unser Herrscherhaus sprach noch Herr Rabbiner Dr. Kahn - Fulda. Den Schluß bildete der Gesang des Psalm 150. Der Feier schloß sich gestern abend ein Konzert an. Heute Samstag abend wird ein Theaterabend und Sonntag ein Festball veranstaltet.

Die Seite www.judaica-vogelsberg.de zitiert Herrn Alfred Schneider zur Zerstörung der Synagoge folgendermaßen:

Die neue - prächtige - Lauterbacher Synagoge, eine Bereicherung der Stadt, wurde nur 30 Jahre alt. Ihre Zerstörung begann mit dem 8. November 1938. Am hellen Tag wurde Mobiliar zertrümmert, Fenster eingeschlagen. In den nächsten beiden Tagen kamen Schaulustige an die Stätte der Verwüstung. Am 10. November, spät abends, wurde erst im Keller Lichtschein beobachtet. Wenig später krochen drei Männer, die Hüte ins Gesicht gezogen, aus dem Kellerfenster der rückwärtigen Tür des Gebäudes. Etwa zwei Stunden nachher, gegen Mitternacht, brannte das Gotteshaus, stand in Flammen. Kuppeloktogon und Dach stürzten in den Innenraum. Die Außenmauern - und der große, allen Lauterbachern bekannte Birnbaum im Garten - blieben gespenstisch, verkohlt stehen. Die Feuerwehr schützte die Nachbarhäuser. - Noch in der Nacht beobachteten Schaulustige das Spektakel und während der nächsten Zeit nahm der Ansturm von Zusehern nur ganz allmählich ab. - Norbert Weinberg und Ernst Oppenheimer, jüdische Schüler, suchten in den Tagen danach in Schutt und Asche, was an religiösen Gegenständen zu retten war.....
Die Synagogenruine stand noch längere Zeit, obwohl die NS-Regierung die Beseitigung aller in der 'Reichskristallnacht' entstandenen Schäden angeordnet hatte. Nach Angaben von einem Zeitzeugen soll sie 1942 abgerissen worden sein. Die Steine seien auf dem Grundstück des heutigen Gymnasiums gelagert worden. Mit dem zweiten Anbau der Schule im Jahr 1957 verlieren sich ihre Spuren.

 

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